Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bei aufeinanderfolgenden Krankheiten

BAG, Urteil vom 11.12.2019, Az: 5 AZR 505/18;

Das Bundesarbeitsgericht hatte folgenden, sehr praxisrelevanten Fall zu entscheiden:

Eine Altenpflegerin war wegen einer psychischen Erkrankung fast vier Monate arbeitsunfähig krankgeschrieben. Im direkten Anschluss an diese Arbeitsunfähigkeit, im Mai 2017 bescheinigte ihre Frauenärztin ihr als „Erstbescheinigung“ eine Arbeitsunfähigkeit wegen einer gynäkologischen Operation sowie per Folgebescheinigung eine fortbestehende Arbeitsverhinderung bis einschließlich Ende Juni 2017. Im Juli 2017 erbrachte die Arbeitnehmerin im Hinblick auf den ihr gewährten Urlaub und Überstundenausgleich keine Arbeitsleistungen mehr und begann eine Psychotherapie bei einem Neurologen. Für die Zeit von Mai bis Juni erhielt sie weder eine Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber, noch Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Sie klagte daher 3.400 € Lohnfortzahlung beim Arbeitgeber ein.

Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, nachdem sie umfassend Beweis erhoben und alle Ärzte der Arbeitnehmerin vernommen hatten.

Der fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschied für den Arbeitgeber:

Nach Auffassung des BAG hätte die Arbeitnehmerin ihrerseits beweisen müssen, dass bei einem so engen zeitlichen Zusammenhang zwischen erster und zweiter Arbeitsunfähigkeit – die erste Arbeitsunfähigkeit bereits bei Eintritt der weiteren Arbeitsverhinderung beendet war. Vorliegend sei dies der Arbeitnehmerin nicht gelungen, da in der umfassenden Beweisaufnahme der Vorinstanz, in der alle Ärzte der Arbeitnehmerin vernommen wurden, nicht festgestellt werden konnte dass die Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung im Zeitpunkt der gynäkologischen Diagnose und Krankschreibung bereits beendet war.

Folgen für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht überträgt hier dem Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass seine erste Erkrankung bereits beendet war, als die zweite Erkrankung im Wege der Erstbescheinigung eines Arztes festgestellt wurde und zur erneuten Krankschreibung führte.  Nur wenn der Arbeitnehmer das beweisen kann muss der Arbeitgeber für die zweite Krankschreibung erneut sechs Wochen Lohnfortzahlen leisten, selbst wenn die erste Erkrankung schon mehr als sechs Wochen gedauert hatte.

Im Zweifel müssen die behandelnden Ärzte gehört werden und der Arbeitnehmer muss diese von deren Schweigepflicht entbinden.

 

Pia Alexandra Kappus

Fachanwältin für Verkehrsrecht