Anwaltsblog für Arbeitsrecht in Frankfurt

Eine Abmahnung, Versetzung oder gar die Kündigung – schwierige Situationen für jeden Beschäftigten. Welche Folgen hat eine Abmahnung? Ist die Kündigung überhaupt wirksam? Ist die Kündigungsfrist eingehalten? Wie stehen die Chancen auf eine Abfindung?

Wir haben uns auf solche Fälle spezialisiert. Die Anwälte Kappus und Thedens sind auch Fachanwalt für Arbeitsrecht. Wir sind zur Stelle, wenn in der akuten Konfliktsituation Reaktion und Taktik gebraucht wird. Wir zeigen Ihnen ein konkretes Bild Ihrer Chancen und Risiken und kämpfen für Ihre Rechte am Arbeitsplatz.

Unsere Anwälte für Arbeitsrecht verfügen über umfangreiche Prozesserfahrung in allen Instanzen, vom Amts-, Land- und Oberlandesgerichten sowie Arbeitsgerichten bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht. Wir arbeiten gerne an der Lösung Ihres rechtlichen Problems.

Unsere Gebühren richten sich in der Regel nach dem für alle Anwälte gültigen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Wir treffen in Absprache mit Ihnen aber gerne auch individuelle Vereinbarungen im gesetzlich zulässigen Rahmen.

Unsere Leistungen im Arbeitsrecht

Gerne helfen wir bei folgenden Themen:

Bonusansprüche im Arbeitsverhältnis 2024 aktuell

Neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts erhöht die Chancen für Arbeitnehmer

auf Durchsetzung ihrer Bonusansprüche

Das Bundesarbeitsgericht hat allein im Jahr 2023 insgesamt drei wegweisende Entscheidungen zur Durchsetzung von Bonusansprüche für Arbeitnehmer gefällt.

  • 10 AZR 29/22     vom 25.01.2023 Bonusanspruch  aus Gleichbehandlungsgrundsatz
  • 10 AZR 319/20   vom 25.01.2023 Bonusanspruch  aus Zielvereinbarung
  • 10 AZR 288/22   vom 15.11.2023 Ermessensbonusanspruch- Freiwilligkeitsvorbehalt und  Stichtagsregelung

Die jüngste und aktuellste dieser drei Entscheidungen aus November 2023 enthält wichtige Klarstellung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der der Wirksamkeit, der in der Praxis sehr häufig in Arbeitsverträgen, aber teilweise auch in Betriebsvereinbarungen verwendeten Formulierung, die in der Rechtssprache als sogenannter „Freiwilligkeitsvorbehalt“ bekannt ist: :

Diese Sonderzahlung sowie die Gewährung sonstiger Leistungen …, insbesondere in Form sonstiger Gratifikationen, Prämien oder Sondervergütungen erfolgt stets freiwillig. Auch durch mehrmalige Zahlungen in gleicher Höhe wird ein Rechtsanspruch für die Zukunft weder dem Grunde noch der Höhe nach begründet.“

 Ebenso enthält das Urteil des Bundesarbeitsgerichts wichtige Klarstellungen zur sogenannten „Stichtagsregelung“, die in der Regel wie folgt formuliert ist:

Mitarbeiter, die vor dem Ende des Fiskaljahres auf Grund einer Eigenkündigung aus dem Angestelltenverhältnis ausscheiden, haben keinen – auch nicht zeitanteiligen – Anspruch auf einen Bonus.“

Im Ergebnis kommt das Bundesarbeitsgericht dazu, dass sowohl der arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte, als auch die sogenannten Stichtagsregelungen in den allermeisten Fällen unwirksam sind. Das Bundesarbeitsgericht sagt dazu zusammengefasst Folgendes:

„… aus den Orientierunssätze der Richterinnen und Richter des BAG…

  1. „…..“
  2. „…..“
  3. Eine vertragliche Vereinbarung, die der Arbeitgeberin bei der Gewährung eines Bonus freies Ermessen einräumt, weicht vom gesetzlichen Leitbild des 315 I BGB ab, weil das Korrektiv der vollen gerichtlichen Kontrolle der Leistungsbestimmung fehlt. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 I 1 iVm II Nr. 1 BGB.“
  4. Ein arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der nicht auf den Entstehungsgrund etwaiger Ansprüche abstellt und damit auch spätere Individualabreden im Sinne von  
  •  305b BGB erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen im Sinne von § 307 I 1   BGB.“
  1. „…..“
  2. Der Anspruch auf eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeitsleistung ist, kann regelmäßig nicht von einer Stichtagsregelung in einer Betriebsvereinbarung abhängig gemacht werden, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Bezugszeitraums voraussetzt. Eine solche Norm ist unwirksam, weil sie Arbeitnehmern bereits verdiente Vergütung entzieht und ihnen ihr Kündigungsrecht erschwert.“

 

Was bedeutet das jetzt für Arbeitnehmer hinsichtlich der Durchsetzung ihrer Bonusansprüche konkret in der Praxis?

  1. Auch im Fall einer Eigenkündigung vor Ablauf des Fiskaljahres Ihres Arbeitgebers können Sie Bonusansprüche für die von Ihnen bereits geleistete Arbeit haben und durchsetzen, auch wenn in Ihrem Arbeitsvertrag etwas anderes steht.
  2. Wenn im Arbeitsvertrag geregelt ist, dass die Bonuszahlung allein im Ermessen des Arbeitgebers liegt und auch nach mehrmaliger über Jahre hinweg geleisteten Zahlung kein Anspruch auf einen Bonus besteht, kann ein solcher in den Arbeitgeber durchsetzbar sein.
  3. Bei der Gewährung von Bonusansprüchen kann auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz eine entscheidende Rolle spielen.

 

Wir helfen Ihnen gerne bei der Durchsetzung ihrer Bonusansprüche !

Für eine effektive Erstberatung, die entweder von Ihrer Rechtsschutzversicherung gezahlt wird oder Selbstzahler 250 € zzgl. Mwst. kostet, benötigen wir:

  • den Arbeitsvertrag
  • eventuell bestehende Bonus Regelungen
  • eventuell bestehende Betriebsvereinbarungen
  • die Bonusmitteilungen über die Zahlungen der Vorjahre

  Sprechen Sie uns gerne an! 

              Als Anwälte für Arbeitsrecht in Frankfurt haben wir die Kompetenz Ihre Bonusansprüche durchzusetzen.

 

Pia- Alexandra Kappus

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht bestätigt fristlose Kündigung bei Täuschung über Impf-(Un)-fähigkeit

Das Bundesarbeitsgericht hat am 14.12.2023 in zwei Parallelentscheidungen vom selben Tag (2 AZR 55/23; 2 AZR 66/23) klargestellt, dass eine aktive – wenn auch nur versuchte – Täuschung  des Arbeitgebers grundsätzlich schwerwiegend genug sein kann, um eine Abmahnung entbehrlich zu machen und arbeitgeberseits sogleich fristlos zu kündigen.

Beiden Entscheidungen lagen Sachverhalte aus der Covid- Zeit zu Grunde.  Die jeweiligen Kläger hatten Impfunfähigkeitsbescheinigungen eines vermeintlichen Arztes vorgelegt, den es letztlich nie gegeben hat. Die Kläger hatten sich im Internet, gegen Zahlung eines bestimmten Betrages, von einer -vermeintlichen – Ärztin unterschriebene Atteste besorgt, die ihnen eine vorläufige Impfunfähigkeit bescheinigt hatte. Allerdings hatte es nie einen persönliche Kontakt zu dieser vermeintlichen Ärztin gegeben. In der Bescheinigung hieß es, dass „dieser Patient“ aufgrund der ärztlichen Einschätzung und Bewertung seiner Angaben vor einer Impfung mit Covid19-Impfstoffen von einem Facharzt für Allergologie überprüft werden müsse. Bis zum Vorliegen eines Impfstoffallergiegutachtens sei „der Patient“ zeitlich begrenzt impfunfähig und es bestehe die Gefahr, dass „der Patient“ durch eine Impfung schwere, gegebenenfalls sogar tödliche Nebenwirkungen davontragen könnte.

In den Gerichtsprozessen hatten die Kläger sich dann auf den Standpunkt gestellt, die von Ihnen vorgelegten Bescheinigungen attestierten ersichtlich keinen individuellen Gesundheitszustand, sondern würden die allgemeine Auffassung der ausstellenden Ärztin wiedergeben, dass jede Person vor einer Impfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 allergologisch untersucht werden müsse. Es stellte sich aber letztlich heraus, dass es die vermeintliche Ärztin gar nicht gab.

Die vom Beklagten ausgesprochenen fristlosen Kündigungen sind letztinstanzlich rechtskräftig vom Bundesarbeitsgericht in den oben genannten Entscheidungen als wirksam bestätigt worden. Ein Arbeitgeber müsse eine solche Pflichtverletzung auch nicht einmalig hinnehmen und könne ohne Abmahnung fristlos kündigen.

Fazit:

  • Grundsätzlich ist es für Arbeitgeber sehr schwierig fristlose Kündigungen rechtswirksam auszusprechen.
  • Die Anforderungen und Hürden an eine fristlose Kündigung sind, zum Schutze des Arbeitnehmers sehr hoch.
  • Fristlose Kündigungen werden von Arbeitsgerichten in aller Regel überhaupt nur dann als wirksam angesehen, wenn der arbeitsvertragliche Verstoß des Arbeitnehmers so gravierend ist, dass es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist mit dem Arbeitnehmer auch nur einen weiteren längeren Tag zusammenzuarbeiten und schon gar nicht die normale fristgemäße Kündigungsfrist abzuwarten.
  • Nach den neueren oben zitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ist klar, dass sich Arbeitgeber Täuschungen und schwerwiegende Vertrauensbrüche nicht bieten lassen müssen. Wer seinen Arbeitgeber bewusst anlügt, um eine arbeitsrechtlich angeordnete Maßnahme wie im vorliegenden Fall die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu umgehen, muss keinen Warnschuss durch den Arbeitgeber mehr bekommen. Vielmehr darf der Arbeitgeber sogleich kündigen.
  • Arbeitgeber sollten dabei zunächst anwaltlichen Rat einholen, ob eine Abmahnung zuvor erforderlich ist oder die fristlose Kündigung sogleich erfolgen kann. Das ist besonders wichtig, weil arbeitsvertragliche Verstöße, die abgemahnt werden, dann nicht noch einmal herangezogen werden können für eine Kündigung.
  • Mahnt der Arbeitgeber einen bestimmten Sachverhalt ab, obwohl er auf diesen Sachverhalt eine Kündigung hätte stützen können, muss der Arbeitgeber auf den nächsten schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Verstoß oder Vertrauensbruch warten.
  • Kündigungen können nicht auf bereits abgemahnte Sachverhalte gestützt werden.
  •  Es ist es besonders wichtig, dass zusätzlich zur fristlosen Kündigung auch immer die hilfsweise fristgemäße Kündigung   seitens des Arbeitsgebers ausgesprochen wird.
  • Anwaltlicher Rat ist für den Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich zu empfehlen, vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist er unabdingbar.
  •  Die Entscheidungen des Arbeitsgerichts zeigen aber auch, dass fristlose Kündigungen durchaus im Einzelfall auch durch den Arbeitgeber durchsetzbar sind.

Pia-Alexandra Kappus

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kündigungsschutz im Insolvenzfall

Welche Auswirkungen hat die Insolvenz meines Arbeitsgebers auf mein Arbeitsverhältnis?

Diese Frage wird uns in letzter Zeit als Rechtsanwälte im Arbeitsrecht wieder häufiger gestellt.

Der Presse ist zuletzt zu entnehmen, dass eine Vielzahl von namhaften Unternehmen einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren gestellt haben.

Selbstverständlich sind Arbeitnehmer in solchen Zeiten unsicher und stellen sich oftmals die Frage, welche Auswirkungen die Insolvenzanträge der Arbeitgeber auf ihr individuelles Arbeitsverhältnis haben. Sollten auch Sie von solch einer Situation betroffen sein, möchten wir Ihnen in diesem Blogbeitrag die wichtigsten Fragen beantworten.

Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein außerordentlicher Kündigungsgrund?

In den meisten Fällen ist die erste Sorge von Arbeitnehmern, die erfahren, dass ihr Arbeitgeber einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt haben, dass ihr Arbeitsverhältnis von heute auf morgen endet.

Zunächst können wir Sie dahingehend beruhigen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses keine Auswirkungen hat und dadurch grundsätzlich kein außerordentlicher Kündigungsgrund gegeben ist.

Sollte in Ihrem Fall, dadurch dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht, Sie kein Leitender Angestellte i. S. d. KSchG sind und in Ihrem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung kommen, gilt der allgemeine Kündigungsschutz auch während eines Insolvenzverfahrens Ihres Arbeitgebers. Die Wirksamkeit einer Kündigung setzt somit auch während des Insolvenzverfahrens einen Kündigungsgrund voraus, der nicht unmittelbar durch die Insolvenz des Arbeitgebers gegeben ist.

Ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein ordentlicher Kündigungsgrund?

Sollte das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sein, müsste ein betriebsbedingter, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigungsgrund im Einzelfall vorliegen. Selbstverständlich kann eine vollständige Betriebsschließung in Folge des Insolvenzverfahrens mit weiteren Voraussetzungen zu einem ordentlichen Kündigungsgrund führen. Oftmals geht der Antrag zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Arbeitgebers jedoch auch mit einer Umstrukturierung der betroffenen Betriebe einher, weshalb nicht immer zwangsweise alle notwendigen Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung vorliegen. Das Vorliegen eines Kündigungsgrundes muss jedoch in jedem Einzelfall individuell geprüft werden. Sollte in Ihrem Fall eine Kündigung in Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ihres Arbeitgebers ausgesprochen werden, können Sie sich gerne an unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS&BOHNE wenden, damit diese individuell auf Ihren Fall zugeschnitten, prüfen können, ob die ausgesprochene Kündigung wirksam ist oder welche Handlungsmöglichkeiten Sie haben.

Welche Kündigungsfrist des Arbeitsverhältnisses gilt nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens?

Sollte gesetzlich oder vertraglich eine kürzere Kündigungsfrist als drei Monate vereinbart sein, gilt auch diese nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

In den Fällen, in denen die gesetzliche Kündigungsfrist oder die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist länger als drei Monate ist oder das Recht auf eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, gilt nach § 113 S. 3 InsO eine verkürzte Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende für den Insolvenzverwalter. Das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters i. S. d. § 113 InsO beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Bekommt man seinen Lohn bis zum Beendigungszeitpunkt noch gezahlt?

Grundsätzlich behalten Arbeitnehmer aufgrund des unveränderten Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses ihre Lohnansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Arbeitslohn, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, muss der Insolvenzverwalter grundsätzlich aus der Insolvenzmasse zahlen.

Sollte Ihr Arbeitgeber seinen Zahlungspflichten nicht mehr oder nicht mehr vollständig nachkommen können, haben Sie mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder in den Fällen, in denen durch einen gerichtlichen Beschluss das Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet wird, einen Anspruch auf Insolvenzgeld. Das Insolvenzgeld wird durch die Agentur für Arbeit gezahlt. Das Insolvenzgeld wird einmalig rückwirkend für die letzten drei Monate vor Eintreten der Insolvenz gezahlt. In der Regel wird das Insolvenzgeld in Höhe des Nettolohnes ausgezahlt. Eine entsprechende Höchstgrenze kann vom jeweiligen Bundesland festgelegt werden. Welche Lohnbestandteile in diesem Zusammenhang als Grundlage berücksichtigt werden und welche Bonuszahlungen hiervon nicht umfasst sind, schildern wir Ihnen gerne in einem persönlichen Gespräch mit einem unserer Fachanwälte für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS&BOHNE, da es hierbei insbesondere darauf ankommt, ob die jeweilige Bonuszahlung als Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung angesehen wird.

Sollte der Arbeitgeber Ihnen über einen längeren Zeitraum als den, der über das Insolvenzgeld abgedeckt ist, Lohn schulden, handelt es sich um keine bevorrechtigten Forderungen, sondern es handelt sich um einfache Insolvenzforderungen.

Wir hoffen, dass wir Ihnen die wichtigsten Fragen in Bezug auf eine Insolvenz Ihres Arbeitgebers beantworten konnten. Trotz dessen empfehlen wir Ihnen sich schnellstmöglich mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS&BOHNE in Verbindung zu setzen, sobald Ihnen aufgrund der Insolvenz Ihres Arbeitgebers eine Kündigung ausgesprochen wird oder Ihr Arbeitgeber Ihnen bisher nicht vollständig Ihren Lohn ausgezahlt hat.

 

Sabrina May

Rechtsanwältin

 

 

Update Arbeitsrecht 2024: Die wichtigsten Änderungen im Arbeitsrecht im kommenden Jahr!

Wie auch in den Jahren zuvor, bringt der unaufschiebbare Jahreswechsel zahlreiche, rechtliche Änderungen mit sich, die das Arbeitsrecht betreffen. Im Jahr 2024 müssen sich Arbeitgeber und Beschäftigte insbesondere Änderungen in den Bereichen der Entlohnung, der Integration von Schwerbehinderten sowie der Weiterbildung stellen.

Welche wichtigen Gesetzesänderungen oder -vorhaben das nun sind, haben wir für Sie nachfolgend in Stichpunkten zusammengefasst:

  •  Das Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes

 Das am 13. Juni 2023 verkündete „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes“ tritt überwiegend mit Wirkung zum 01. Januar 2024 in Kraft. Dabei verfolgt das Gesetz mit seinen darin geregelten Maßnahmen die Arbeitsmarktintegration und -sicherung von schwerbehinderten Menschen. Eine wesentliche Änderung liegt in der Erhöhung der sog. Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber.

Besteht danach für den Arbeitgeber eine Beschäftigungspflicht von schwerbehinderten Menschen und wird die vorgeschriebene Anzahl der zu beschäftigenden, schwerbehinderten Menschen nicht erreicht, so sind Arbeitgeber nach § 160 Abs. 1 S. 1 SGB IX verpflichtet, eine sog. Ausgleichsabgabe zu zahlen. Mit dem Gesetz wurde nunmehr eine zusätzliche Ausgleichsabgabepflicht eingeführt, für den Fall, dass Arbeitgeber ihrer Beschäftigungsverpflichtung überhaupt nicht nachkommen. Arbeitgeber werden nunmehr eine höhere Ausgleichsabgabe zahlen, wenn die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen in ihrem Unternehmen bei 0 % liegt. Diese Ausgleichsabgabe wurde auf 720 EUR pro Monat für jeden nicht besetzten Pflichtarbeitsplatz festgesetzt. Sie ist erstmalig zum 31. März 2025 zu zahlen, wenn eine Ausgleichsabgabe für das Jahr 2024 fällig wird. Im Übrigen wurde eine Anpassung der bereits bestehenden Ausgleichsabgabesätze vorgenommen, welche ebenfalls ab dem 1. Januar 2024 Wirkung entfaltet.

  • Erinnerung: Möglichkeit der Zahlung Inflationsausgleichsprämie

 Seit dem 26. Oktober 2022 haben Arbeitgeber die Möglichkeit ihren Beschäftigten eine sog. Inflationsausgleichsprämie in Höhe von bis zu EUR 3.000 steuer- und abgabenfrei zu gewähren. In der Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten sind Arbeitgeber grundsätzlich frei, sodass es ihnen überlassen ist, ob sie den Betrag in voller Höhe ausschöpfen oder ob sie Leistungen auf mehrere Teilbeträge aufteilen. Die Möglichkeit einer derartigen Zahlung ist nach Maßgabe des § 3 Nr. 11c EStG noch bis zum 31. Dezember 2024 möglich.

Anzumerken bleibt jedoch, dass es sich bei der Inflationsausgleichsprämie im arbeitsrechtlichen Kontext um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt, sodass Arbeitnehmer hierauf grundsätzlich keinen Anspruch haben. Arbeitgeber dürfen nach jüngster Rechtsprechung ferner unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach sachlichen Gründen differenzieren, welcher „Arbeitnehmergruppe“ sie einen derartigen Inflationsausgleich zukommen lassen und welcher Arbeitnehmergruppe nicht (vgl. ArbG Paderborn, Urteil vom 06.07.2023, Az. 1 Ca 54/23).

  •  Erinnerung: Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes am 17. Dezember 2023

 Das am 02. Juli 2023 in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz regelt im Wesentlichen die Einführung eines Hinweisgebersystems, um Hinweisgeber zu schützen, welche auf Missstände in Unternehmen aufmerksam machen. Die Pflicht zur Einrichtung einer solchen Meldestelle galt für Unternehmen mit mehr als 250 Arbeitnehmern bereits ab dem Inkrafttreten des Gesetzes. Den Unternehmen, welche regelmäßig zwischen 50 und 249 Arbeitnehmern beschäftigen, wurde dagegen eine längere Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 gewährt.

Den Unternehmen, die im kommenden Jahr ihrer Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle nach den Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes noch nicht nachgekommen sind, drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 20.000 EUR.

  • Einführung des Qualifizierungsgeldes

Mit dem im Juli 2023 verabschiedeten Gesetz zur Stärkung der Aus- und Weiterbildungsförderung wurde unter anderem das sog. Qualifizierungsgeld in den §§ 82a SGB III ff. eingeführt. Bei diesem Qualifizierungsgeld handelt es sich um eine Entgeltersatzleistung, welche von Beschäftigten bei einer beruflichen Weiterbildung ab dem 01. April 2024 von der Agentur für Arbeit bezogen werden kann, wenn die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Betriebliche Voraussetzungen für den Erhalt des Qualifizierungsgeldes sind u.a. ein strukturwandelbedingter Qualifizierungsbedarf eines nicht unerheblichen Teils der Belegschaft, die grundsätzliche Finanzierung der beruflichen Weiterbildung durch den Arbeitgeber und hierfür entsprechenden Regelungen in einer Betriebsvereinbarung oder eines betriebsbezogenen Tarifvertrages. Mit der Weiterbildung des ungekündigten Arbeitnehmers müssen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die über die arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen. Grundsätzlich können nur Weiterbildungen berücksichtigt werden, die mehr als 120 Stunden dauern. Die Höhe des Qualifizierungsgeldes soll dann 60 bzw. 67 % des durch die Weiterbildung entfallenden Nettoentgeltes betragen.

  •  Lohn und Gehalt

 1. Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns

Am 24. November 2023 wurde die Vierte Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (MiLoV4) durch die Bundesregierung erlassen. Zum 01. Januar 2024 steigt der Mindestlohn danach von 12,00 EUR brutto auf 12,41 EUR brutto pro Arbeitszeitstunden an. Diese Festlegung entspricht dem Vorschlag der Mindestlohnkommission.

2. Anhebung der Verdienstgrenze der geringfügig Beschäftigten (sog. Minijobber)

Mit dem Anstieg des Mindestlohns geht ebenfalls ab dem 01. Januar 2024 ein Anstieg der Geringfügigkeitsgrenze einher. Unter die geringfügig entlohnte Beschäftigung im Sinne des § 8 SGB IV fällt danach ab dem 01. Januar 2024 eine Beschäftigung, bei welcher das Arbeitsentgelt einen Betrag von 538,00 EUR monatlich nicht übersteigt. Zuvor lag die Geringfügigkeitsgrenze bei 520,00 EUR, sodass sog. Minijobber im kommenden Jahr insgesamt 18,00 EUR pro Monat mehr verdienen dürfen, ohne dass Abgaben zur Sozialversicherung anfallen.

 3. Anhebung der Mindestlöhne für Auszubildende

Auch Auszubildende dürfen sich auf das kommende Jahr freuen, denn die in § 17 Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz festgelegten Mindestausbildungsvergütungen für Auszubildende eines nicht tarifgebundenen Ausbildungsbetriebs steigen ab dem 01. Januar 2024 an. Die Mindestvergütung im ersten Ausbildungsjahr erhöht sich danach von 620,00 EUR auf 649,00 EUR.

Die einzelnen Mindestvergütungen der jeweiligen Ausbildungsjahre können in § 17 Abs. 2 BBiG eingesehen werden.

Wenn Sie zu den einzelnen Punkten Rückfragen haben, sprechen Sie uns gerne an:

Wir haben keine Angst vor Veränderungen wir gestalten sie mit.

von Pia Kappus u. Julia Skladanowski

WEIHNACHTSSPECIAL II – Weihnachtsfeiern und ihre arbeitsrechtlichen Auswirkungen

Dezember – Der Monate der Weihnachtsfeiern hat begonnen. Die meisten Arbeitnehmende freuen sich auf die alljährliche Weihnachtsfeier und machen sich wenig Gedanken über die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer Weihnachtsfeier.

Damit Sie optimal auf Ihre Weihnachtsfeier vorbereitet sind und genau wissen, welche arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen können, klären wir Sie im folgenden Blogpost über die wichtigsten arbeitsrechtlichen Konsequenzen auf:

 

Muss man an der betrieblichen Weihnachtsfeier teilnehmen?

Für alle Arbeitnehmer, die nicht an der Weihnachtsfeier teilnehmen möchten, gibt es eine gute Nachricht – grundsätzlich besteht keine Teilnahmepflicht an betrieblichen Weihnachtsfeiern. Selbst wenn die Weihnachtsfeier während der betrieblichen Arbeitszeit stattfindet, sind Sie grundsätzlich nicht zur Teilnahme verpflichtet. Die Arbeitnehmer, die sich gegen die Teilnahme an der Weihnachtsfeier entscheiden, müssen jedoch während dieser Zeit ihre arbeitsvertragliche Arbeitsleistung erbringen.

 

Ist man auf der Weihnachtsfeier versichert?

Die Weihnachtsfeier ist in den meisten Fällen eine betriebliche Veranstaltung, weshalb bei der Teilnahme unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht. Grundsätzlich sind alle Tätigkeiten, die während der Veranstaltung mit dem Gemeinschaftszweck verbunden sind, versichert.

Aber aufgepasst, sobald die Weihnachtsfeier offiziell beendet ist, ist auch der gesetzliche Versicherungsschutz beendet (LSG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.02.2008 – L 3 U 71/06). Sollten Sie mit Ihren Kollegen und/oder Vorgesetzten nach dem offiziellen Teil der Weihnachtsfeier weiter feiern, sind Sie nicht mehr von der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt.

Sollten Sie aber unmittelbar nach Beendigung der Weihnachtsfeier Ihren Heimweg antreten und sich auf Ihrem „Nach-Hause-Weg“ verletzen, kann es sich trotz allem um einen Wegeunfall handeln. Der Versicherungsschutz eines Wegeunfalles entfällt in solchen Fällen, aber auch dann, wenn Sie unter Einfluss von Drogen stehen sollten oder bei absoluter Fahruntüchtigkeit einen Verkehrsunfall mit ihrem Kfz verursachen.

Beleidigungen, Schlägereien, sexuelle Übergriffe – auf Weihnachtsfeiern unter Alkoholeinfluss erlaubt?

Bei Weihnachtsfeiern handelt es sich um betriebliche Veranstaltungen, weshalb Arbeitnehmer auch in diesem Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss und sich nicht auf die Auswirkungen des Alkoholgenusses berufen kann. Um Ihnen ein Gefühl dafür zugeben, was auf Weihnachtsfeiern nicht erlaubt ist und zu einer Kündigung führen kann, haben wir Ihnen mal ein paar Beispiele aus der Praxis rausgesucht, die tatsächlich in der Form bereits passiert sind und von Arbeitsgerichten entschieden werden mussten:

 

Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte darüber zu entscheiden, ob eine fristlose Kündigung nach 23 Betriebszugehörigkeit gerechtfertigt sei, wenn der Arbeitnehmer auf der Weihnachtsfeier seinen Vorgesetzten als „Wichser“ und „Arschloch“ bezeichnet und diesem einen ausgestreckten Mittelfinger zeigt.

Das LAG Hamm hat in seinem amtlichen Leitsatz des Urteils vom 30.06.2004, Az.: 18 Sa 836/04 entschieden, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen können und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Es ist nicht erforderlich, dass die Beleidigungen während der Arbeitszeit im Betrieb erfolgen. Auch auf einer Betriebsfeier außerhalb der Arbeitszeit geäußerte grobe Beleidigungen stellen einen erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar.

 

Das Arbeitsgericht Osnabrück hatte in seinem Urteil vom 19.08.2009, Az. 4 BV 13/08, zu entscheiden, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei, wenn ein Arbeitnehmer, der auf einer Weihnachtsfeier singt und dabei von seinen Kollegen zum Aufhören aufgefordert wird, diese Kollegen anschließend ins Gesicht schlägt. Es ist bis zum Schluss strittig geblieben, ob der singende Arbeitnehmer die Kollegen mit der flachen Hand oder mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat. Auch in diesem Fall war die außerordentliche Kündigung wirksam, obwohl der singende Arbeitnehmer Betriebsratsmitglied und bereits seit 24 Jahren im Betrieb beschäftigt war. Die Rechtfertigung der singende Arbeitnehmer sei nicht mehr zurechenbar gewesen, weil er zu viel Alkohol konsumiert habe, ließ das Arbeitsgericht auch nicht mildernd gelten.

 

Das Arbeitsgericht Elmshorn hatte erst dieses Jahr einen Fall der außerordentlichen Kündigung nach einer sexuellen Belästigung auf einer Weihnachtsfeier zu entscheiden.

Eine Mitarbeiterin hatte für die Geschäftsführung der Beklagten Weihnachtsgeschenke besorgt und das Geld für die Geschenke zunächst für die Kollegen ausgelegt. Nach dem Abendessen wandte sich die Mitarbeiterin an den Kläger, um dessen Anteil von 10,00 EUR für das Geschenk einzusammeln. Der Kläger hatte den Betrag nicht passend und seine Kollegin konnte noch nicht wechseln. Hieraufhin äußerte der Kläger gegenüber der Kollegin und in Anwesenheit von vier Arbeitskollegen:

 

„Wir können sie auf den Kopf stellen und die Geldkarte durch den Schlitz ziehen.“

 

Das Arbeitsgericht Elmshorn stellte in seinem Urteil fest, dass es sich bei dem Verhalten des Klägers um eine sexuelle Belästigung gehandelt habe. Die Äußerung sei zudem schwerst beleidigend. Mit der Äußerung werde die Kollegin auf derbste Art und Weise zum Objekt sexueller Anspielung herabgewürdigt. Sie werde mit einem Objekt gleichgestellt. Es handelt sich nicht um eine bloße „Anzüglichkeit“, sondern um eine besonders krasse Form der Herabwürdigung. Es war für die Kammer auch kein Verständnis der Äußerung erkennbar, die nicht frauenfeindlich oder sexistisch sein sollte.

 

FAZIT:

Selbstverständlich handelt es sich hierbei um extreme Sachverhalte, trotzdem sollten Sie bei den anstehenden Weihnachtsfeiern daran denken, dass es sich um betriebliche Veranstaltungen handelt, die auch Kündigungen nach sich ziehen können. Weihnachtsfeiern sind kein rechtsfreier Raum, weshalb Sie sich auch in diesem Rahmen vernünftig verhalten sollten.

Sollte Ihnen dennoch ein Fehlverhalten auf Ihrer Weihnachtsfeier passieren und diese arbeitsrechtlichen Konsequenzen mit sich bringen, können Sie sich gerne an unsere Fachanwälte für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS&BOHNE wenden.

 

Allen anderen wünschen wir eine schöne Weihnachtsfeier und eine besinnliche Vorweihnachtszeit!

 

Sabrina May

Rechtsanwältin

WEIHNACHTSSPECIAL I : Habe ich einen Anspruch auf „Weihnachtsgeld“?

Das Jahr 2023 neigt sich langsam dem Ende und die „Black-Week“ steht in den Startlöchern, weshalb sich viele Arbeitnehmer fragen, ob sie einen Anspruch auf Weihnachtsgeld gegenüber ihrem Arbeitgeber haben.

Die Hans-Böckler Stiftung veröffentlichte vor wenigen Tagen die aktuellen Auswertungen des WSI-Tarifarchivs, die ergeben haben, dass 53 % aller Beschäftigten Weihnachtsgeld erhalten. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes erhalten 2023 knapp 86 % der Tarifbeschäftigten ein durchschnittliches Weihnachtsgeld in Höhe von 2.809,00 Euro brutto.

Wir werden nachfolgend versuchen die meist gestellten Fragen zum Thema Weihnachtsgeld zu beantworten, damit Sie informiert in die Vorweihnachtszeit starten können.

 

Was ist „Weihnachtsgeld“?

Weihnachtsgeld ist eine zusätzliche Sonderzahlung, die in vielen Unternehmen in Deutschland am Ende des Jahres an die Arbeitnehmer mit dem Novembergehalt oder in zwei Teilen im November und Dezember ausgezahlt wird. Diese Sonderzahlung soll zum Teil dazu dienen, den Arbeitnehmern zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Feiertage zu bieten und damit den Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, zusätzliche Ausgaben für Geschenke, Feiern und andere Weihnachtsaktivitäten zu tätigen. Ebenso kann das Weihnachtsgeld auch eine Form der Anerkennung und Wertschätzung für die Arbeit der Mitarbeiter im abgelaufenen Jahr darstellen. Das Bundesarbeitsgericht vertritt die Auffassung, dass die Bezeichnung einer Zahlung als „Weihnachtsgeld“ mehrere Deutungen zu lässt, ob es sich um eine Sondervergütung mit oder ohne Entgeltcharakter handelt oder ob es sich sogar um einen Sondervergütung mit Mischcharakter handelt (BAG, Urteil vom 25.01.2023 –  10 AZR 116/22).

 

Wer hat einen Anspruch auf „Weihnachtsgeld“?

Einen gesetzlichen Anspruch auf Weihnachtsgeld gibt es nicht. Sollte ein Anspruch auf Weihnachtsgeld bestehen, müsste dieser explizit im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im individuellen Arbeitsvertrag geregelt sein. Hierüber hinaus kann ein Anspruch auf Weihnachtsgeld auch aus betrieblichen Übung oder dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz abgeleitet werden.

Sobald der Arbeitgeber ohne einen ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit allen Arbeitnehmern (oder allen Arbeitnehmern einer bestimmten Gruppe oder Abteilung) über einen längeren Zeitraum, mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren, ein Weihnachtsgeld in gleicher Höhe oder nach einer gleichbleibenden Berechnungsmethode zahlt, hat man auch in den folgenden Jahren auf Grundlage einer betrieblichen Übung einen Anspruch auf die Zahlung eines Weihnachtsgeldes gegenüber seinem Arbeitgeber.

Sollten in einem Unternehmen alle Arbeitnehmer bzw. alle Arbeitnehmer einer bestimmten Gruppe/Abteilung ein Weihnachtsgeld gezahlt werden, dürfen einzelne Arbeitnehmer, die mit den begünstigten Arbeitnehmern vergleichbar sind, nicht ohne triftige sachliche Gründe von der Weihnachtsgeldzahlung ausgeschlossen werden. In diesem Fall können die benachteiligten Arbeitnehmer ihren Weihnachtsgeldanspruch auf den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

Sollten Sie sich nicht sicher sein, ob Sie alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Zahlung eines Weihnachtsgeldes erfüllen, können Sie sich gerne mit Ihren individuellen Fragen an unser Arbeitsrechtsteam der Kanzlei KAPPUS&BOHNE wenden.

 

Haben auch Teilzeitbeschäftigte einen Anspruch auf ein „Weihnachtsgeld“?

Sollten die oben aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sein, haben auch Teilzeitbeschäftigte grundsätzlich einen Anspruch auf die Auszahlung eines Weihnachtsgeldes. Teilzeitbeschäftigte dürfen gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, jedoch kann die Höhe des Weihnachtsgeldes auf das individuelle Maß der Teilzeitbeschäftigung angepasst werden.

 

Können Arbeitgeber das „Weihnachtsgeld“ aufgrund von Krankheit, Elternzeit oder eines Sabbatical kürzen?

Grundsätzlich können in den vorgenannten Fallbeispielen die beidseitigen vertraglichen Hauptpflichten ruhen. Dies bedeutet insbesondere, dass der Arbeitnehmer nicht seine Arbeitsleistung erbringen muss und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Vergütung zahlen muss.

Wie bereits dargestellt, vertritt das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass die Bezeichnung einer Zahlung als „Weihnachtsgeld“ mehrere Deutungen zu lässt, ob es sich beim Weihnachtsgeld um eine Sondervergütung mit oder ohne Entgeltcharakter handelt oder ob es sich um eine Sondervergütung mit Mischcharakter handelt (BAG, Urteil vom 25.01.2023 –  10 AZR 116/22). Aus diesem Grund kann diese Frage nicht pauschal beantwortet werden und muss individuell aufgrund Ihres persönlichen Falles von einem unserer Arbeitsrechtsexperten der Kanzlei KAPPUS&BOHNE geprüft werden.

 

FAZIT:

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass obwohl mehr als die Hälfte der Beschäftigten Weihnachtsgeld erhalten, es sich aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Anspruchsgrundlage um eine sehr individuelle Frage handelt, ob und in welcher Höhe ein Arbeitnehmer Weihnachtsgeld erhält.

Damit Sie beruhigt mit dem Wissen, ob Ihnen tatsächlich Weihnachtsgeld zusteht, in die Vorweihnachtszeit starten können, vereinbaren Sie doch gerne eine Erstberatung mit einem unserer Rechtsanwälte der Kanzlei KAPPUS&BOHNE.

 

 

Sabrina May

Rechtsanwältin

Neues zum Arbeitszeugnis – Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 06.06.2023-9AZR 272/22

Eine der wichtigsten Passagen im Arbeitszeugnis ist die sogenannte, Dankes-, Bedauerns- und Gute Wünsche – Formel.

Sie steht regelmäßig ganz am Ende des Zeugnisses und lautet im optimalen Fall wie folgt:

"Herr/Frau....verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch. Wir bedauern dies außerordentlich, 
danken ihm/ihr für die sehr gute Zusammenarbeit und wünschen ihm/ihr für seine/ihre private, 
wie berufliche Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg."

Die besondere Bedeutung dieses Abschlusssatzes rührt daher, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf den Abschlusssatz besteht. Entsprechend kann dieser auch im Rahmen eines Zeugnisberichtigungsprozesses nicht eingeklagt werden. Mit der Folge, dass ein Fehlen des Abschlusssatzes für einen potentiellen neuen Arbeitgeber ein Anzeichen dafür ist, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber, der das Zeugnis schreibt, nicht wohlwollend zu Ende gegangen ist.

Daran ändert sich durch das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 06.06.2023-9AZR 272/22 dem Grunde nach nichts und dennoch hilft das Urteil Arbeitnehmern bei Zeugnis- Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber erheblich weiter.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem neuen Urteil nämlich jetzt klargestellt, dass eine einmal in einem Zeugnis- Entwurf oder einem vom Arbeitnehmer bemängelten Endzeugnis enthaltene Dankesformel nicht mehr gestrichen werden kann, nur weil der Arbeitgeber sich über die Änderungswünsche des Arbeitnehmers hinsichtlich des sonstigen Zeugnistextes ärgert.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte eine Arbeitnehmerin von ihrem Arbeitgeber ein Endzeugnis mit einer entsprechenden Dankes- und Gute Wünsche Formel erhalten. Sie bemängelte allerdings andere Formulierungen im Zeugnis und bat den Arbeitgeber mehrfach um Änderungen des Zeugnisses. Der Arbeitgeber berücksichtigte diese Änderungen und stellte das Zeugnis mehrfach neu aus, im dritten Entwurf war dann allerdings die Dankesformel nicht mehr enthalten. Der Arbeitgeber hatte argumentiert, dass der Grundsatz der Zeugniswahrheit im verbiete eine derartige Schlussformel weiter zu verwenden, wenn sich sein subjektives Empfinden nach der Erteilung des Zeugnisses geändert habe.

Mit anderen Worten der Arbeitgeber wusste, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Dankes -Schlussformel hatte und setzte seinen Ärger über die mehrfachen Änderungswünsche der Arbeitnehmerin so um, dass er die Dankesformel aus dem Zeugnis entfernte.

Damit verstieß der Arbeitgeber, so das Bundesarbeitsgericht, gegen das sogenannte Maßregelungsverbot. Die Beanstandung des Zeugnisses durch den Arbeitnehmer darf nach ständiger Rechtsprechung nicht zur Verschlechterung des Zeugnisses führen.

Der Arbeitgeber hatte dadurch, dass er in den ersten beiden Zeugnisentwürfen die Dankesformel verwendet hatte, deutlich gemacht, dass er bereit sei diese im Zeugnis aufzunehmen. Allein die Tatsache, dass er vom Verhalten der Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses genervt war, weil sie mehrfach die Zeugnisbewertung monierte, darf nicht dazu führen, dass er das Arbeitgeber etwas was er bereits zugestanden hatte wegfallen lässt.

Fazit:

Leider bleibt es dabei, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Dankes- Bedauerns- und Gute Wünsche Formel im Zeugnis hat. Erfreulich ist aber, dass das Bundesarbeitsgericht klarstellt, dass jegliche Verschlechterung des ursprünglich ausgestellten Zeugnistextes, nach Bemängelung durch den Arbeitnehmer, gegen das Maßregelungsverbot verstösst.

 

Ist eine Kündigung, die während des Urlaubes zugeht, (un)wirksam?

 

Sie haben die zurückliegenden Sommerferien genossen, waren im wohlverdienten Erholungsurlaub und die gesamte Erholung ist mit einem Schlag weg als Sie die Kündigung Ihres Arbeitsgebers in Ihrem Briefkasten vorfinden? Dann sollten Sie sich jetzt schnellstmöglich an einen Anwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS & BOHNE wenden, denn auch während Ihrer Urlaubsabwesenheit kann eine Kündigung wirksam zugehen.

Eine Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, weshalb der ordnungsgemäße Zugang eine unabdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Aus diesem Grund spielt bei der Bewertung der Wirksamkeit einer Kündigung die Frage, ob und wann die Kündigung dem Empfänger wirksam zugegangen ist eine zentrale Rolle.

Insbesondere kann vom maßgeblichen Zugangszeitpunkt beispielsweise abhängig sein, ob die einschlägige Kündigungsfrist oder die Ausschlussfrist des § 616 Abs. 2 BGB eingehalten worden ist.

In den Köpfen vieler ArbeitnehmerInnen schlummert der Mythos, dass eine Kündigung während des Urlaubes eines Arbeitnehmers nicht ordnungsgemäß zugestellt werden kann, weil der Arbeitgeber schließlich von dessen Abwesenheit wisse. Dieser Mythos ist falsch!

Für empfangsbedürftigen Willenserklärungen, wie beispielsweise einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses, ist in § 130 Abs. 1 S. 1 BGB ausdrücklich für die Erklärungsübermittlung unter Abwesenden geregelt, dass die Erklärung erst mit Zugang bei dem abwesenden Empfänger wirksam wird.

Die unter Abwesenden abgegebene Kündigungserklärung ist zugegangen, wenn sie dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass mit ihrer Kenntnisnahme nach den gewöhnlichen Umständen und den Gepflogenheiten des Rechtsverkehrs zurechnen ist.

Der Erklärende hat alles Erforderliche zu unternehmen, um die verkörperte Erklärung in den Machtbereich des Empfängers zu verbringen; bis dahin trägt er das Risiko der (unterbleibenden, verspäteten und/oder fehlerhaften) Übermittlung. Unter Machtbereich wird allgemein der gewöhnliche räumlich-gegenständliche Zugriffs- oder Lebensbereich des Empfängers verstanden, wie beispielsweise der Hausbriefkasten, so dass vorauszusetzen ist, dass die Kündigungserklärung in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist. Grundsätzlich wird im Rechtsverkehr angenommen und zugrunde gelegt, dass Privathaushalte einmal am Tag, meist in den Abendstunden, ihren Briefkasten leeren und somit täglich eine Leerung des Briefkasten als gewöhnlicher Umstand und damit einhergehende Kenntnisnahme angenommen werden kann.

Der Zugang kann folglich auch ohne die tatsächliche Kenntnisnahme bewirkt werden, da es nur darauf ankommt, ob unter gewöhnlichen Verhältnissen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Der Empfänger ist seinerseits verpflichtet, eine geeignete Empfangseinrichtung, wie beispielsweise ein Briefkasten, vorzuhalten, sofern er den Zugang von rechtserheblichen Erklärungen zu erwarten hat, was im Falle eines bestehenden Arbeitsverhältnisses anzunehmen ist. Sollte der Arbeitnehmer die Einrichtung einer solchen Empfangseinrichtung unterlassen, muss er sich das Fehlen einer solchen Empfangseinrichtung in der Regel als treuwidrige Zugangsvereitelung entgegenhalten lassen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung geht eine Arbeitgeberkündigung unter Abwesenden nach den oben genannten Regeln dem Arbeitnehmer durch Einwurf in dessen Hausbriefkasten auch dann zu, wenn dieser während seines Erholungsurlaubs verreist und dies dem Arbeitgeber auch bekannt ist (BAG, Urteil vom 22.03.2012 – 2 AZR 224/11). Aus diesem Grund sollte man unbedingt bereits vor seinem Reiseantritt sicherstellen, dass jemand seinen Briefkasten regelmäßig leert und einen darüber informiert, wenn einem ein Schreiben des Arbeitgebers zugeht.

Sollten Sie während Ihrer Urlaubsabwesenheit eine Kündigung Ihres Arbeitgebers erhalten haben, sollten Sie sich schnellstmöglich an einen Anwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS & BOHNE wenden, da man grundsätzlich nur innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen kann, um feststellen zulassen, dass die Kündigung unwirksam ist. Nach verstreichen lassen der dreiwöchigen Kündigungsschutzklagefrist wird in den meisten Fällen angenommen, dass die zugrundeliegende Kündigung wirksam ist. Daher sollten Sie sich schnellstmöglich mit einem Anwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS & BOHNE in Verbindung setzen, damit fristgemäß Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht wird.

Sollte bereits die dreiwöchige Kündigungsschutzklagefrist verstrichen sein, kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an, ob eine verspätete Klage zugelassen wird. Aufgrund der Einzelfallbetrachtung sollten Sie sich auch in diesem Fall an einen Anwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei KAPPUS & BOHNE wenden.

 

Wir helfen Ihnen gerne!

 

Sabrina May

Rechtsanwältin

Die Bonussaison 2023 hat begonnen

Haben Sie Ihren Bonus für das Geschäftsjahr 2022 schon erhalten?

In der Regel zahlen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern den Bonus für das vergangene Geschäftsjahr innerhalb des ersten Quartals des neuen Jahres aus. Bis zu diesem Zeitpunkt steht meist das Geschäftsergebnis von Unternehmen und Banken fest und der Arbeitgeber konnte feststellen, inwieweit die Unternehmensziele und ggf. die persönlichen Ziele seiner Mitarbeiter erreicht wurden. Verläuft das Arbeitsverhältnis reibungslos, treten meist keine Probleme mit der Bonuszahlung auf. Erst wenn es zu Unstimmigkeiten oder Veränderungen kommt, der Arbeitnehmer zum Beispiel eine Eigenkündigung zur Mitte oder zum Ende des Geschäftsjahres ausgesprochen hat, erweist sich die Geltendmachung des Bonusanspruches oft alles andere als einfach.

Die zahlreichen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Thema Bonus zeigen deutlich, dass Bonusstreitigkeiten äußerst komplex sind. Es gibt verschiedene Arten von Sonderzahlungen des Arbeitgebers und nicht immer handelt es sich hierbei um einen Bonus im klassischen Sinne. Bei der Geltendmachung des Anspruches gibt es zudem einige Fallstricke zu beachten.

Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick darüber, welche Arten von Bonusvereinbarungen es gibt und auf was Sie bei der Geltendmachung Ihres Bonusanspruches achten müssen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Ihnen ein Bonusanspruch zusteht oder nicht, kontaktieren Sie im Zweifelsfall aber lieber immer einen Fachanwalt für Arbeitsrecht!

Sonderzahlungen des Arbeitgebers

Hängt der Bonus nicht von der Erbringung eines bestimmten Erfolges ab, zählt er zu den sogenannten Sonderzahlungen des Arbeitgebers. Hierunter fallen alle Leistungen des Arbeitgebers, die nicht regelmäßig mit dem Arbeitsentgelt ausgezahlt werden, sondern aus bestimmten Anlässen oder zu bestimmten Terminen gewährt werden. Auch Gratifikationen, Weihnachtsgeld, Jubiläumsgeld und das 13. Monatsgehalt fallen hierunter. Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Sonderzahlung haben Sie nicht. Vielmehr kann sich ein solcher Anspruch aus arbeitsvertraglichen Reglungen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben. Eine Sonderzahlung kann Ihnen allerdings auch aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes oder einer betrieblichen Übung zustehen.

Sind im Arbeitsvertrag enthaltene Stichtagsklauseln wirksam?

Man kann bei den Sonderzahlungen zwischen Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter, Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter und Sonderzahlungen mit Mischcharakter unterscheiden. Um welche Art von Sonderzahlung es sich handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Will Ihr Arbeitgeber lediglich Ihre Betriebstreue belohnen, handelt es sich um eine Sonderzahlung ohne Entgeltcharakter (auch Sonderzahlung mit Bindungswirkung genannt). Erbringt Ihr Arbeitgeber die Sonderzahlung als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung handelt es sich um eine Sonderzahlung mit Entgeltcharakter. Sonderzahlungen mit Mischcharakter sind sowohl Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung als auch Belohnung der Betriebstreue.

Der Unterschied ist mit Blick auf die Wirksamkeit von im Arbeitsvertrag oder in Betriebsvereinbarungen oftmals enthaltenen Stichtagsklauseln sehr wichtig. Mit einer Stichtagsklausel macht Ihr Arbeitgeber die Auszahlung einer Sonderzahlung davon abhängig, ob Ihr Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt noch bestanden oder sogar noch ungekündigt bestanden hat. In der Regel können Stichtagsklauseln nur wirksam für Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter vereinbart werden. Sobald eine Sonderzahlung auch für bereits erbrachte Arbeitsleistung gezahlt wird, ist die Stichtagsklausel nach der Rechtsprechung des BAG regelmäßig unwirksam.

Was gilt bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis?

Wenn Sie vor dem vereinbarten Stichtag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, haben Sie unter Umständen einen anteiligen Zahlungsanspruch auf den Bonus bzw. die Sonderzahlung.

Das gilt jedenfalls dann, wenn die Sonderzahlung zumindest auch als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung gewährt wird. Waren Sie beispielsweise im Jahr 2022 noch bis Ende Juni für Ihr Unternehmen tätig und stellt sich der Bonus als Gegenleistung für erbrachte Arbeit dar, dürfte Ihnen ein anteiliger Bonusanspruch für sechs Monate zustehen. Soll mit der Sonderzahlung ausschließlich die Betriebstreue belohnt werden, besteht auch kein anteiliger Zahlungsanspruch.

Kann sich der Arbeitgeber auf die Freiwilligkeit der Leistung berufen?

 Ganz überwiegend wird die Auszahlung des Bonus oder einer anderen Sonderzahlung unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Oft fällt Arbeitnehmern erst bei Streitigkeiten über die Bonuszahlung auf, dass irgendwo in dem Arbeitsvertrag oder einer anderen Vereinbarung geregelt ist, dass der Arbeitgeber jedes Jahr neu und frei darüber entscheiden will, ob er einen Bonus auszahlt oder nicht. Durch den Freiwilligkeitsvorbehalt will der Arbeitgeber verhindern, dass ein Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers aus betrieblicher Übung entsteht. Ob ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt wirksam ist oder nicht, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Entscheidend ist, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt und er transparent ist. Eine unangemessene Benachteiligung ist regelmäßig gegeben, wenn ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst. Wird dem Arbeitnehmer an einer Stelle des Arbeitsvertrages eine Sonderzahlung feste zugesagt und an einer anderen Stelle als freiwillig bezeichnet, handelt es sich in der Regel um eine widersprüchliche und damit unwirksame Klausel. Aber Achtung: Ein jeweils zum Zeitpunkt der Auszahlung erklärter Freiwilligkeitsvorbehalt kann einen Anspruch auf eine künftige Sonderzahlung ggf. wirksam verhindern!

Steht die Bonuszahlung im Ermessen des Arbeitgebers?

In jüngster Zeit vereinbaren immer mehr Arbeitgeber einen Ermessensbonus anstatt den Bonusanspruch unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu stellen. Der Vorteil eines Ermessensbonus gegenüber einer Bonusregelung mit Freiwilligkeitsvorbehalt liegt darin, dass er vergleichsweise rechtssicher vereinbart werden kann. Zudem kann der Arbeitgeber durch eine solche Regelung flexibel auf wirtschaftliche Schwankungen reagieren. Haben die Arbeitsvertragsparteien einen Ermessensbonus vereinbart, erhält der Arbeitnehmer einen klagbaren Anspruch, der in der konkreten Höhe noch unbestimmt ist. Die Ausübung der Leistungsbestimmung (= Bonusfestsetzung durch den Arbeitgeber) ist gerichtlich überprüfbar. Sind Kriterien für die Ermessensausübung vereinbart worden, muss sich der Arbeitgeber an diese halten. In Betracht kommen hierbei unter anderem die Bonushöhe der vergangenen Jahre, der Unternehmenserfolg, die persönlichen Leistungen des Arbeitnehmers, der Umfang der Leistungen an andere Arbeitnehmer oder der Umfang des Bonuspools. Kommt es zu einem Gerichtsprozess über die Frage, ob der Arbeitgeber sein Ermessen in Bezug auf die Bonusfestsetzung korrekt ausgeübt hat oder nicht, muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass seine Entscheidung billigem Ermessen entspricht. Eine Ermessensreduzierung auf null ist in der Regel dann unbillig und damit nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer alle vereinbarten persönlichen Ziele erreicht hat.

Was gilt bei Zielbonusprogrammen?

Hängt die Gewährung eines Bonus von einem bestimmten Erfolg ab, zählt er zu den sogenannten variablen Vergütungsbestandteilen. Oft hängt die Bonuszahlung davon ab, dass innerhalb eines bestimmten Beurteilungsspielraums bestimmte Ziele erreicht werden. Die Ziele können sich dabei aus Unternehmenszielen und persönlichen Zielen zusammensetzen. Das muss aber nicht immer so sein. Soll der Arbeitnehmer lediglich am Unternehmenserfolg beteiligt werden, spricht man von einer Tantieme. Erhält der Mitarbeiter für eine erfolgreiche Vermittlung oder einen erfolgreichen Vertragsabschluss eine bestimmte Geldsumme, bezeichnet man das als Provision.

Zielbonusprogramme sind ein beliebtes Mittel, um Arbeitnehmer zu Bestleistungen zu motivieren. Soll für die Auszahlung des Bonus ein bestimmter Unternehmenserfolg maßgeblich sein, wird der Arbeitnehmer zu unternehmerischem Handeln angeregt. Soll der Arbeitnehmer zusätzlich auch bestimmte persönliche Ziele erreichen, wird er mit Blick auf die Bonuszahlung alles daransetzen, die Ziele zu erreichen.

Überdies sind Zielbonusprogramme meist mehrstufig gestaltet. Auf der ersten Stufe treffen die Parteien eine Rahmenvereinbarung. Die Rahmenvereinbarung ist häufig im Arbeitsvertrag selbst oder einer Betriebsvereinbarung enthalten. Sie regelt die allgemeinen Grundsätze des Bonusprogrammes. Hierzu zählen unter anderem die Art der festgelegten Ziele, das Verfahren für den Abschluss der Zielvereinbarung, der maßgebliche Beurteilungszeitraum, die Ermittlung der Bonushöhe, die Fälligkeit des Bonusanspruches usw. Zudem enthält die Rahmenvereinbarung manchmal auch Aussagen darüber, wer die Initiative für die Zielvereinbarung ergreifen muss und was bei unterlassener Initiative gilt.

Auf der zweiten Stufe legen die Parteien dann für die jeweilige Zielperiode die Ziele fest, die der Arbeitnehmer erreichen soll. Hier ist zunächst zu klären, ob eine Zielvereinbarung oder eine Zielvorgabe vorliegt. Bei einer Zielvereinbarung haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer tatsächlich über die zu erreichenden Ziele verhandelt. Demgegenüber liegt eine Zielvorgabe vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb der Grenzen seines Weisungsrechtes einseitig Ziele vorgegeben hat. Bei Zielvereinbarungen trägt der Arbeitnehmer in der Regel selbst das Risiko, dass er mit dem Arbeitgeber ggf. unrealistische Ziele vereinbart hat. Die Zielvorgabe des Arbeitgebers ist demgegenüber als einseitige Leistungsbestimmung einer allgemeinen Billigkeitskontrolle unterworfen und gerichtlich vollständig überprüfbar.

Achtung: Haben die Vertragsparteien für einen bestimmten Bezugszeitraum keinen oder erst verspätet Ziele festgelegt, obwohl der Arbeitgeber verpflichtet war, auf den Abschluss einer Zielvereinbarung/ eine Zielfestsetzung hinzuwirken, kommen ggf. Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers in Betracht.

Auf der dritten Stufe erfolgt schließlich die Zielbewertung für die jeweilige Zielperiode. Wie die Zielbewertung zu erfolgen hat, ergibt sich meist aus der Rahmenvereinbarung oder der Zielvereinbarung bzw. Zielvorgabe selbst. Es ist denkbar, dass alle Voraussetzungen für die Ermittlung der Bonushöhe abschließend geregelt sind. Dann wird der Arbeitgeber bei Erfüllung aller Voraussetzungen einen bestimmten Bonus auszahlen müssen.

Es ist aber auch denkbar, und im Geschäftsleben immer weiter verbreitet, dass sich der Arbeitgeber vorbehält, über die Bonushöhe nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der vereinbarten Ziele zu entscheiden. Dann handelt es sich um einen – bereits erwähnten – Ermessensbonus. Hier gelten die bereits aufgezeigten Grundsätze.

Was sollten Sie bei der Geltendmachung Ihres Bonusanspruches beachten?

Die meisten Arbeitsverträge enthalten zweistufige Ausschlussklauseln bzw. Verfallklauseln. Die Klauseln sehen meistens vor, dass Sie Ihren Bonusanspruch ab Fälligkeit innerhalb von drei Monaten zunächst gegenüber Ihrem Arbeitgeber geltend machen müssen (1. Stufe). Wenn Ihr Arbeitgeber Ihre Forderung ablehnt oder sich nicht äußert, haben Sie dann meistens weitere drei Monate Zeit, um den Anspruch einzuklagen (2.Stufe).

Viele Ausschlussklauseln waren in der Vergangenheit oft unwirksam. Allerdings haben die Arbeitgeber ihre Verträge mittlerweile angepasst. Es ist daher sehr wichtig, dass Sie Ihren Bonusanspruch innerhalb der vorgegebenen Fristen und am besten auch in der vorgegebenen Form geltend machen. Anderenfalls droht Ihnen der Verlust des Bonusanspruches! Für die Einhaltung der ersten Stufe ist es äußerst wichtig, dass Sie den Zeitpunkt der Fälligkeit des Bonusanspruches im Auge behalten, da Sie sich zum Fälligkeitszeitpunkt möglicherweise nicht mehr in dem Unternehmen befinden.

Die Geltendmachung des Bonusanspruches muss in der Regel schriftlich oder in Textform erfolgen. Mittlerweile darf zumindest in Arbeitsverträgen, die unter das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fallen, für die Geltendmachung des Bonusanspruches keine strengere Form als die Textform vorgesehen sein. Sie können den Bonusanspruch damit auch per E-Mail geltend machen. Um Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich aber, den Anspruch auch tatsächlich in der von dem Arbeitgeber vorgegebenen Form fristgemäß geltend zu machen.

Lehnt Ihr Arbeitgeber den Bonusanspruch ab oder äußert er sich nicht auf Ihr Schreiben, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als den Bonus vor Gericht einzuklagen. Wenn Sie unsicher sind, ob Ihr Arbeitgeber Ihren Bonusanspruch zu Recht oder Unrecht abgelehnt hat, kontaktieren Sie im Zweifelsfall unbedingt einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Wir helfen Ihnen gerne bei der Durchsetzung Ihrer Bonusansprüche weiter!

Teresa Baudis,

Rechtsanwältin  

Pia-Alexandra Kappus,

Fachanwältin für Arbeitsrecht, ADAC Vertragsanwältin

BAG stärkt Kündigungsschutz von Schwangeren

Eine Kündigung während der Schwangerschaft ist sicherlich ein großer Schock. Allerdings besteht gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen ein absolutes Kündigungsverbot, welches alle Arten von Kündigungen des Arbeitgebers erfasst. Doch wann genau beginnt der Sonderkündigungsschutz für Schwangere? Maßgeblich ist der Zeitpunkt, ab dem die Schwangerschaft der Frau besteht.

Berechnung des Schwangerschaftsbeginns

Wenn Sie schwanger sind und feststellen wollen, ab wann in Ihrem Fall das gesetzliche Kündigungsverbot für schwangere Arbeitnehmerinnen greift, müssen Sie auch weiterhin 280 Tage von dem ärztlich errechneten voraussichtlichen Entbindungstermin zurückrechnen. Der voraussichtliche Entbindungstag ist dabei nicht mitzuzählen. Das gilt jedenfalls im Fall einer natürlichen Empfängnis. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) festgestellt und damit die ständige Rechtsprechung des zweiten Senats bestätigt. Das BAG stärkt mit seinem Urteil den Kündigungsschutz von Schwangeren. In der Vergangenheit vertraten immer mehr Gerichte die Auffassung, dass nicht auf den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft abzustellen sei, sondern auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer.

Der Fall: Streit über den Zeitpunkt des Schwangerschaftsbeginns

Geklagt hatte eine seit dem 15.10.2020 beschäftigte hauswirtschaftliche Helferin. Mit ihrer Kündigungsschutzklage vom 12.11.2020 wehrte sich die Arbeitnehmerin gegen eine in der Probezeit ausgesprochene ordentliche Kündigung ihrer Arbeitgeberin. Das vom 6.11.2020 stammende Kündigungsschreiben ging der Arbeitnehmerin am Folgetag, dem 7.11.2020 zu. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2.12.2020 teilte die Arbeitnehmerin dem Arbeitsgericht Heilbronn mit, dass sie in der sechsten Woche schwanger sei. Das Unternehmen erfuhr von der Schwangerschaft jedoch erst am 7.12.2020, als ihm die Abschrift des anwaltlichen Schriftsatzes zugestellt wurde. Der Abschrift war eine Schwangerschaftsbestätigung vom 26.11.2020 beigefügt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens reichte die hauswirtschaftliche Helferin eine weitere Schwangerschaftsbescheinigung über den voraussichtlichen Geburtstermin am 5.8.2020 nach.

Die Arbeitnehmerin vertrat die Auffassung, dass die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot von Schwangeren unwirksam sei. Zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges am 7.11.2020 sei sie bereits schwanger gewesen (nämlich seit dem 29.10.2020). Von der Schwangerschaft habe sie erst am 26.11.2020 Kenntnis gehabt. Danach habe sie ihre Arbeitgeberin auch unverzüglich über das Bestehen der Schwangerschaft unterrichtet. Das Unternehmen bestritt das Vorliegen einer Schwangerschaft zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges. Die Arbeitnehmerin hätte den Arbeitgeber außerdem schon früher über eine mögliche Schwangerschaft benachrichtigen müssen. Die verspätete Mitteilung sei auch nicht unverzüglich nachgeholt worden.

ArbG Heilbronn und LAG Baden-Württemberg: Durchschnittliche Schwangerschaftsdauer maßgeblich (Rückrechnung von 266 Tagen)

Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin scheiterte in den ersten beiden Instanzen. Sowohl das ArbG Heilbronn als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hielten die Kündigung für wirksam. Nach Auffassung der Vorinstanzen sei die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges nicht schwanger gewesen. Um den Beginn der Schwangerschaft zu ermitteln, müsse 266 Tage von dem ärztlich festgestellten voraussichtlichen Entbindungstermin zurückgerechnet werden. Bei der Rückrechnung sei nicht auf die äußerste zeitliche Grenze, sondern nur auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer abzustellen. Rechnet man ausgehend vom voraussichtlichen Entbindungstermin am 5.8.2021 um 266 Tage zurück, habe die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin am 12.11.2020 und damit erst vier Tage nach Zugang des Kündigungsschreibens begonnen.

BAG: Frühestmöglicher Zeitpunkt der Schwangerschaft maßgeblich (Rückrechnung von 280 Tagen)

Die Revision der Arbeitnehmerin vor dem BAG hatte Erfolg. Das BAG erteilte der Auffassung der Vorinstanzen, es sei für die Ermittlung des Schwangerschaftsbeginns auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer von 266 Tagen abzustellen, eine klare Absage. Der Zeitraum von 280 Tagen markiert nach Auffassung des BAG die äußerste zeitliche Grenze, innerhalb derer bei normalem Zyklus eine Schwangerschaft bestehen kann. Es müsse vom frühestmöglichen Zeitpunkt einer Schwangerschaft ausgegangen werden, um die Sicherheit und den Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen zu gewährleisten. Eine Rückrechnung von lediglich 266 Tagen genügt nach Ansicht des BAG den unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht.

Das in der EU-Mutterschutzrichtlinie vorgesehene Kündigungsverbot soll verhindern, dass sich die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin in Verbindung stehen, schädlich auf ihre physische und psychische Verfassung auswirken kann. Auch wolle der deutsche Gesetzgeber Arbeitnehmerinnen und mittelbar deren Kinder vor wirtschaftlichen Existenzängsten und seelischen Zusatzbelastungen durch Kündigungsschutzprozesse schützen.

Unverschuldetes Überschreiten der Zwei-Wochen-Frist von LAG Baden-Württemberg noch zu klären

Das BAG verwies die Sache zurück an das LAG Baden-Württemberg. Das LAG muss nun im fortgesetzten Berufungsverfahren klären, ob die Arbeitnehmerin unverschuldet die Zwei-Wochen-Frist gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG überschritten hat. Normalerweise muss eine bestehende Schwangerschaft dem Arbeitgeber – soweit er noch keine Kenntnis von der Schwangerschaft hat – innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt werden. Wurde die Zwei-Wochen-Frist – wie vorliegend – überschritten, kommt es darauf an, ob die Fristüberschreitung unverschuldet erfolgte und die Mitteilung der Schwangerschaft unverzüglich nachgeholt wurde. Vorliegend wäre die Mitteilung der Arbeitnehmerin über das Bestehen ihrer Schwangerschaft noch unverzüglich nachgeholt worden, wenn sie tatsächlich erst am 26.11.2020 von ihrer Schwangerschaft wusste. Ob das der Fall war, muss nun das LAG Baden-Württemberg feststellen

FAZIT:

Dem Urteil des BAG vom 24.11.2022 (Az. 2 AZR 11/22) ist vollumfänglich zuzustimmen. Die Entscheidung wird dem unionsrechtlichen und verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von werdender Mutter und Kind gerecht. Aus Gründen der Rechtssicherheit und des Arbeitnehmerinnenschutzes sind für die Berechnung des Schwangerschaftsbeginns auch Tage zu berücksichtigen, in denen das Vorliegen einer Schwangerschaft medizinisch eher unwahrscheinlich ist.

Praxistipp:

Arbeitnehmerinnen stellen sich immer wieder die Frage, wann der beste Zeitpunkt ist, ihren Arbeitgeber über eine bestehende Schwangerschaft zu informieren.

Zeitpunkt der Mitteilung bei reibungslosem Arbeitsverhältnis

Wenn das Arbeitsverhältnis reibungslos verläuft und keine Kündigung droht, empfiehlt es sich, den Arbeitgeber spätestens im Verlauf des zweiten oder letzten Schwangerschaftsdrittels über die Schwangerschaft zu unterrichten. Nur wenn der Arbeitgeber weiß, dass Sie schwanger sind, kann er auch Sorge dafür tragen, dass die mutterschutzrechtlichen Vorschriften (zum Beispiel Beschäftigungsverbote) eingehalten werden. Wenn absehbar ist, dass Sie zum Ende ihrer Schwangerschaft hin eine wichtige Aufgabe übernehmen sollen, bei der Sie nur schwer zu vertreten sind, dürften Sie unter Umständen sogar zu Beginn des zweiten Schwangerschaftsdrittels verpflichtet sein, den Arbeitgeber über Ihre Schwangerschaft zu informieren. Da es im ersten Schwangerschaftsdrittel relativ häufig zu Fehlgeburten kommt, dürfte eine vorherige Offenbarungspflicht hingegen in der Regel ausscheiden.

Zeitpunkt der Mitteilung bei drohender Kündigung

Sind Sie schwanger und zeichnet sich ab, dass Sie eine Kündigung bekommen werden, verhält sich die Situation anders. In diesem Fall sollten Sie Ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, dass Sie schwanger sind. Sobald der Arbeitgeber Kenntnis von Ihrer Schwangerschaft hat, kann er Ihnen für den Zeitraum der Schwangerschaft (und darüber hinaus auch bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung) nicht wirksam kündigen. Grundsätzlich ist die Mitteilung formlos möglich, allerdings muss auf Verlangen des Arbeitgebers ein ärztliches Attest vorgelegt werden. Es liegt im Interesse beider Parteien, dass zumindest im weiteren Verlauf eine schriftliche Bescheinigung über die Schwangerschaft und den voraussichtlichen Entbindungstermin vorgelegt wird, um Unklarheiten von vornherein zu vermeiden.

Was tun bei Kündigung während der Schwangerschaft?

Sollten Sie schwanger sein und bereits eine Kündigung erhalten haben, weil Ihr Arbeitgeber nicht wusste, dass Sie schwanger sind, gilt Folgendes:

Sie müssen Ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung nachträglich mitteilen. Es kommt hierbei nicht auf das rechtzeitige Absenden der Mitteilung, sondern auf den tatsächlichen Zugang beim Arbeitgeber an. Dabei muss sich aus der Mitteilung selbst entnehmen lassen, dass die Schwangerschaft schon bei Zugang der Kündigung bestand. Erfolgt die Mitteilung nicht fristgemäß, verlieren Sie unter Umständen Ihren Kündigungsschutz!

Der Kündigungsschutz geht nur dann auch bei Überschreiten der Zwei-Wochen-Frist nicht verloren, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Sie müssen darstellen können, dass Sie das Überschreiten der Frist nicht zu verschulden haben.
  • Weiterhin müssen Sie den Zeitpunkt der Kenntniserlangung darlegen sowie darstellen können, dass die nachträgliche Mitteilung unverzüglich erfolgt ist.

Haben Sie aufgrund eines ärztlichen Zeugnisses oder eines positiven Schwangerschaftstest positive Kenntnis von ihrer Schwangerschaft, so ist die unterlassene rechtzeitige Mitteilung in der Regel schuldhaft. Gleiches gilt, wenn zwingende Anhaltspunkte gegeben sind, die das Vorliegen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen lassen.

Bei Zweifeln und Fragen über Ihren Kündigungsschutz während der Schwangerschaft, sprechen Sie uns gerne an.

Teresa Baudis

Ihr Team der Kanzlei Kappus und Bohne